
Gedanken zur eigenen Selbständigkeit, umgeben von 700 Freiberuflern. Vier Jahre selbständig – und noch immer stelle ich mir die Frage: gehöre ich wirklich dazu?
Es ist drei Wochen her, und die Posts über Freelance Unlocked in meiner LinkedIn Timeline reißen nicht ab. Begeisterte Berichte, „meine 3 Highlights“, „meine 5 Learnings“, Fotos, Videos, Trendanalysen. Klar ist: Freelance Unlocked hat eine Lücke entdeckt und geschloßen, und wir(?) Freelancer haben nun unser(?) jährliches Klassentreffen. Auf die Fragezeichen hinter „wir“ und „unser“ geh ich gleich ein.
Ich habe mir mit meinem Post Zeit genommen, weil ich den Blick weniger auf die Talks (es gab bessere und schlechtere, und einige sehr gute) und Trends (die wichtigsten sind KI, KI und KI) richten möchte, sondern mehr nach Innen. Ich habe nämlich, ohne es mir vorher einzugestehen, auf der Freelance Unlocked nach der Antwort auf eine Frage gesucht, die mich mehr beschäftigt als mir lieb ist: Gehöre ich dazu? Ist „Freelancer“ Teil meiner Identität?
Nun sollte man meinen, 4 Jahre Selbständigkeit sind Zeit genug, um sich festzulegen. Zumal man sich den Schritt in die Selbständigkeit bereits vorher gut überlegt. Aber tatsächlich ist das für mich längst nicht so klar.
Viele der Freelancer, die ich auf der Freelance Unlocked gesprochen habe, könnte man zu einer der drei Kategorien zählen:
- Freelancer aus Überzeugung: „War noch nie im Leben angestellt, und das bleibt so“, oder „War lang genug angestellt – ich möchte nie mehr jemanden um Erlaubnis fragen müssen, wenn ich Urlaub nehme!“
- Freelancer aus Kalkül: „Wenn mir jemand entsprechend gutes Geld bietet und ich weiter alle Freiheiten genießen darf, können wir gerne über Festanstellung reden. Aber im Moment ist Selbständigkeit für mich der beste Deal”.
- Freelancer aus Mangel an Alternativen: „In meinem Berufsfeld ist es gerade sehr schwer, einen vernünftigen Job zu landen. Ich halte mich mit ein paar Projekten über Wasser – hoffentlich kommen bald bessere Zeiten.“
Ich sehe mich selbst in keiner dieser drei Kategorien. Auch wenn sich der IT-Jobmarkt ziemlich verschlechtert hat, glaube ich, dass ich eine Anstellung finden würde, wenn ich es darauf anlege (hin und wieder bekomme ich Angebote, die diese Hypothese bestätigen). Kalkül ist so gar nicht mein Ding. Und Überzeugung? Da hapert’s leider, obwohl ich mich ganz gern zu dieser Kategorie zählen würde.
Die Sache ist die: Ich weiß, dass mein Drang nach Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sehr stark ist, und dass es eben dieser Drang war, der mich in die Selbständigkeit geführt hat. Doch gleichzeitig habe ich ein starkes Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Stabilität, und diese Bedürfnisse sind mit Selbständigkeit nicht leicht zu vereinbaren. Bin ich gerade in einem Projekt mit einigen Monaten Laufzeit, geht es mir gut. Doch früher oder später ist jedes Projekt vorbei, und die Ungewissheit kehrt wieder: finde ich ein neues, trotz schlechterer Marktlage? Und wo gehöre ich eigentlich dazu?
Die Antwort auf die letztere Frage lautet für viele Freelancer “Community”. Aber bei aller Liebe zu meinen fellow Uplinkern, Agilisten, Coaches, Speakern und anderen Bubbles, in denen ich gerne unterwegs bin, und bei allem Respekt für die großartige Community Arbeit von Leuten wie Yurii Lazaruk – diese Communities ersetzen nicht das Gefühl, Teil eines Teams zu sein, gemeinsam Hindernisse zu überwinden und Erfolge zu feiern.
Das heißt nicht, dass man auf dieses Gefühl als Freelancer komplett verzichten muss: ich habe mich auch als Freelancer oft genug als Teil eines Teams gefühlt und verstanden, und wurde zum Glück auch so behandelt. Doch man muss darauf gefasst sein, dass man bald geht, und andere bleiben – und das schafft automatisch einen anderen Status.
Also zurück zur Frage – wo gehöre ich dazu?
Vielleicht ja zu einer vierten Kategorie – Freelancer trotz einiger Zweifel. Denn ich habe auf der Freelance Unlocked auch Menschen getroffen, denen es ähnlich ging. Die sich schwer taten und sich nicht ein für allemal festlegen wollten. Die die Achterbahnfahrt der Gefühle, welche die Selbständigkeit mit sich bringt, nur zu gut kannten. Denen ihre Selbstbestimmung viel wert ist, die aber auch die Angst kennen, dass es irgendwann nicht mehr weitergeht.
Ich bin dankbar für diese vier Jahre Selbständigkeit, und fürs Erste bleibe ich dabei. Nicht aus Kalkül, nicht aus Überzeugung, und auch nicht aus Mangel an Alternativen. Sondern weil ich mich heute wieder bewusst dafür entscheide. Diese Entscheidung werde ich wohl immer wieder treffen müssen, und vielleicht fällt sie eines Tages anders aus. Doch für heute gilt: Das Ticket für die Freelance Unlocked 26 ist gelöst, und die Achterbahnfahrt geht erst einmal weiter.

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